Zeitzeugin Eva Weyl zu Gast

„Vor 80 Jahren stand ich auf der Todesliste,“ begann Eva Weyl und die rund 250 Schüler und Schülerinnen des achten und neunten Jahrgangs wurden ganz still und lauschten aufmerksam anderthalb Stunden lang, während ihnen die 89jährige Holocaust-Überlebende ihre Lebensgeschichte erzählte.

Nachdem Eva Weyls Eltern wegen des NS-Regimes aus Deutschland in die Niederlande geflohen waren, wurde die jüdische Familie dort nach der deutschen Besatzung doch in das Durchgangslager Westerbork deportiert. Mit Glück entgingen sie mehrfach der Deportation in die Vernichtungslager im Osten. Von den 107.000 nach Westerbork deportierten Menschen überlebten nur 5000. „Ich bin eine von den 5000,“ berichtete Eva Weyl.

Eindrücklich schilderte sie ihre Erlebnisse als Kind im Lager, etwa wie schrecklich sie die Baracken fand (für je 375 Menschen, vom Vater getrennt) oder wie sie damals eine Freundin namens Sarah beneidete, die „mit dem Zug weg“ war, wie ihr die Mutter sagte. Erst später verstand sie, dass Sarah deportiert und ermordet worden war.

Dabei wies Frau Weyl immer wieder auf die Anfänge der Verfolgung hin und wandte sich direkt an die Jugendlichen, die sie darauf aufmerksam machen wollte, wozu Hass und Intoleranz führen können. „Ihr seid eine Schule ohne Rassismus, da braucht man viel Courage!“  Denn alle Menschen hätten die gleichen Rechte, aber dafür müsse man sich couragiert einsetzen.

„Mobben ist der Anfang vom Bösen!“, konstatierte sie und führte das mit der Verfolgung der Juden in der NS-Zeit aus. Sie berichtete vom Boykott jüdischer Geschäfte, wobei sie ein Bild des beschmierten Ladens ihrer Familie zeigte, und von den Demütigungen jüdischer Kinder vor der Klasse. Besonders erschreckend war die Geschichte eines kleinen jüdischen Mädchens namens Helga: Mitschüler waren solange auf das kleine Mädchen gesprungen, bis sie sich am Ende nicht mehr bewegte. Helga starb. Eine Lehrkraft hatte zögernde Mitschüler noch dazu gedrängt mitzumachen.

Gleich darauf betonte Frau Weyl: “Niemand ist heute noch verantwortlich für das, was (damals) passiert war. Aber alle haben die Verantwortung, dass es nicht vergessen wird.“ So forderte sie die Schüler*innen auf, aktiv für Freiheit und Demokratie einzutreten und dafür die Geschichte lebendig zu halten. „Ihr werdet meine Zweitzeugen. Uns gibt es bald nicht mehr. Ihr übernehmt es weiter.“

Energisch ermunterte sie die Jugendlichen mit einer anderen persönlichen Geschichte, immer auf ihr eigenes Gefühl zu hören. So habe sie sich nach dem Krieg mit 15 Jahren während eines Besuchs beim Großvater in Freiburg ausgerechnet in den Sohn eines Nazis verliebt. Als der Großvater ihr deshalb diese Freundschaft verbieten wollte, verteidigte sie ihre Liebe: „Aber Opa, was kann der Fritz dafür?!“

Frau Weyl baut Brücken – so auch mit ihrer späteren Freundschaft und Zusammenarbeit mit der Enkelin des Lagerkommandanten von Westerbork.

Sie sei dankbar, dass in Deutschland viel gegen das Vergessen getan würde, und wünschte sich, dass hier auch das Kriegsende am 8.Mai als Tag der Befreiung gefeiert würde. So wie ihre Familie jedes Jahr am 12.April feiere, dass sie leben – in Freiheit.

Am Ende bedankten sich die sichtlich beeindruckten Schüler*innen mit langem Applaus und Blumen, während sich Frau Weyl für deren Zuhören bedankte: „Das ist ein großes Geschenk!“ Sie freute sich über die vielen guten Fragen und wünschte sich schließlich von den Jugendlichen: „Redet mit eurer Familie über die Geschichte, bitte!“